Mähler

Mähler
Mäh|ler:
Pl. von Mahl.

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Mahler,
 
Gustav, österreichischer Komponist und Dirigent, * Kalischt (Böhmen) 7. 7. 1860, ✝ Wien 18. 5. 1911; studierte in Wien am Konservatorium u. a. bei R. Fuchs und privat bei A. Bruckner, kam nach Stationen in Bad Hall, Laibach, Olmütz, Wien und Kassel 1885 als 2. Kapellmeister an das deutsche Landestheater in Prag, 1886 in gleicher Position nach Leipzig und leitete (in Vertretung A. Nikischs) ein halbes Jahr die dortige Oper. 1888 wurde er Operndirektor in Budapest und 1891 1. Kapellmeister am Hamburger Stadttheater. Als Gastdirigent wirkte er 1897 u. a. in Polen und Russland. 1897 wurde Mahler zunächst Kapellmeister, dann Direktor der Wiener Hofoper, die er auf eine bis dahin unerreichte künstlerische Höhe führte. 1898-1901 leitete er auch die Philharmonischen Konzerte. 1902 heiratete er Alma Maria Schindler. Im Herbst 1907 ging Mahler als Kapellmeister an die Metropolitan Opera in New York und übernahm 1909 zusätzlich die musikalische Direktion der New York Philharmonic Society.
 
Als Dirigent wirkte Mahler durch seine Orchesterdisziplin und die strenge Werktreue seiner Interpretationen richtungweisend (auf W. Mengelberg, B. Walter, O. Klemperer u. a.). In seiner Eigenschaft als Operndirektor leitete er zahlreiche Neuerungen ein, u. a. konzentrierte Probenarbeit mit Sängern und Chor. Auch wurde (v. a. in Zusammenarbeit mit dem Maler und Grafiker A. Roller) eine grundlegende Reform der szenischen Präsentation und eine neuartige Einheit von Inszenierung, Dekoration und musikalischer Ausdeutung erreicht. Im Hinblick auf eine Steigerung ihrer Bühnenwirksamkeit hat Mahler auch einige Werke (z. B. C. M. von Webers Opern »Die drei Pintos«, »Euryanthe« und »Oberon« sowie W. A. Mozarts Oper »Die Hochzeit des Figaro«) neu bearbeitet.
 
In seinem Liedschaffen knüpft Mahler musikalisch v. a. an F. Schubert an, als literarische Vorlage verwendete er bis 1899 vorwiegend Texte aus der von A. von Arnim und C. Brentano herausgegebenen Sammlung »Des Knaben Wunderhorn«, anschließend stand F. Rückert im Zentrum seiner Liedkomposition. Die Melodik wird von einer Tendenz zu dramatischer Expressivität, die Begleitung durch symbolisch und psychologisch nuancierte Ausdrucksqualität bestimmt. Dabei geht volksliedhafte Schlichtheit eine enge Verbindung mit hoher Differenziertheit ein. Die meisten Lieder liegen in Fassungen für Klavier und für Orchester vor.
 
Der enge Zusammenhang von Lied und sinfonischem Werk bei Mahler zeigt sich darin, dass er Lieder in seine ersten Sinfonien eingefügt hat (auch in instrumentaler Umformung), so »Lieder eines fahrenden Gesellen« in die 1. Sinfonie und »Wunderhorn-Lieder« in die 2. bis 4. Sinfonie. Während die vom Lied ausgehende instrumentale Technik auf Schubert zurückgeht, verweist die Einbeziehung vokaler Partien in die Sinfonie (außer in den Sinfonien 1-4 auch in der Sinfonie Nummer 8) und in das »Lied von der Erde« auf L. van Beethoven (9. Sinfonie). Die Weitung der einzelnen Sinfoniesätze (bei Mahler findet sich gegenüber den traditionellen vier Sätzen sogar der siebensätzige sinfonische Rahmen), die Anlage der dynamischen Scherzosätze und die affektiven Steigerungen bei Satzschlüssen lassen A. Bruckners Vorbild erkennen. In den programmatischen Erläuterungen, die Mahler seinen Sinfonien zum Teil beilegte, griff er eine von H. Berlioz' Programmmusik ausgehende Entwicklungslinie wieder auf. Wenn Mahler auch diese Erklärungen später wieder zurückzog, verweisen sie doch auf den gedankenmusikalischen und bekenntnishaften Charakter seiner Musik, die durch eine Verbindung sehr unterschiedlicher stilistischer Elemente gekennzeichnet ist. Die Melodik reicht von volksliedhaft schlichten, zum Teil absichtlich die Banalität nicht scheuenden Phrasen (häufig als Kontraste zu dramatischeren Abschnitten und als solche von einer nur scheinbaren »Naivität«) bis zu höchst kunstvollen Gebilden, von lyrischer Verhaltenheit bis zu hohem Pathos (das seinerseits ironisierend kommentiert werden kann). In der Harmonik stehen neben traditioneller Diatonik polyphone und fugierte Passagen, Pentatonik und chromatische Stimmführung bis an die Grenzen der Atonalität. Die subtile Instrumentation wird der Monumentalität der Sinfonik (besonders der »Sinfonie der Tausend«) ebenso gerecht wie dem Kammerstil des Spätwerks. Viele dieser heterogenen Züge weisen Mahlers Kompositionen als Werke einer Übergangszeit zwischen Romantik und Avantgarde aus. So sehr sie auf die Tradition zurückverweisen, so stark haben sie auf harmonisch-melodische Gestaltungsmittel der Neuen Musik (besonders A. Schönberg, A. Berg und A. Webern) gewirkt.
 
Werke: Sinfonien: Nummer 1 D-Dur (1884-88, 1892 und 1894 als »Titan« nach Jean Paul aufgeführt, später wieder ohne Titel und Programm); Nummer 2 c-Moll (1888-94, für Sopran, Alt, gemischten Chor und Orchester); Nummer 3 d-Moll (1893-96, für Alt, Frauenchor, Knabenchor und Orchester); Nummer 4 G-Dur (1899-1901, für Sopran und Orchester); Nummer 5 cis-Moll (1901/02); Nummer 6 a-Moll (1903/04); Nummer 7 e-Moll (1904/05); Nummer 8 Es-Dur (1907, für 3 Sopran, 2 Alt, Tenor, Bariton, Bass, Knabenchor, 2 gemischte Chöre und Orchester, mit den Teilen: Hymnus »Veni, creator spiritus« und Schlussszene aus Goethes »Faust II«, »Sinfonie der Tausend« genannt); Das Lied von der Erde (1908/09, Sinfonie für Tenor, Alt, Bariton und Orchester, nach chinesischen Gedichten in der Übertragung von H. Bethge); Nummer 9 D-Dur (1908/09); Nummer 10 Fis-Dur (Fragment: Adagio, 1910, »Purgatorio« als Partiturentwurf und drei weitere Sätze als Particell sowie Skizzen erhalten, Rekonstruktion u. a. von D. Cooke).
 
Lieder mit Orchester: 4 Lieder eines fahrenden Gesellen (1883-85, nach eigenen Texten); Lieder aus Des Knaben Wunderhorn (1888-99); Kindertotenlieder (1901-04, nach F. Rückert); Sieben Lieder aus letzter Zeit (1899-1902).
 
Chorwerk: Das klagende Lied (1878-80, Neufassungen 1892 und 1898, für Sopran, Alt, Tenor, gemischten Chor und Orchester, Text von Mahler nach Märchen von L. Bechstein und den Brüdern Grimm).
 
Lieder mit Klavier: Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit (1880-90).
 
Ausgaben: Sämtliche Werke, herausgegeben von der Internationalen G. Mahler Gesellschaft, 10 Bände (1960-78); Zehnte Sinfonie. Faksimile nach der Handschrift, herausgegeben von E. Ratz (1967); Briefe, herausgegeben von H. Blaukopf (Neuausgabe 1982); G. Mahler und Richard Strauss: Briefwechsel, herausgegeben von demselben (Neuausgabe 1988).
 
 
P. Stefan: G. M. (41912, Nachdr. 1981);
 P. Bekker: G. M.s Sinfonien (1921, Nachdr. 1969);
 B. Walter: G. M. (1936, Neuausg. 31985);
 A. Mahler-Werfel: Erinnerungen an G. M. (a. d. Engl., 31972);
 C. Floros: G. M., 2 Bde. (1977);
 
G. M. Sinfonie u. Wirklichkeit, hg. v. K. Blaukopf u. a. (Graz 1977);
 V. Karbusicky: G. M. u. seine Umwelt (1978);
 F. Willnauer: G. M. u. die Wiener Oper (1979);
 H.-L. de Lagrange: G. M., 3 Bde. (Paris 1979-83);
 K. Blaukopf: G. M. oder der Zeitgenosse der Zukunft (Neuausg. 21980);
 
Form u. Idee in G. M.s Instrumentalmusik, hg. v. K. H. Stahmer (1980);
 T. W. Adorno: M. (Neuausg. 1981);
 H. H. Eggebrecht: Die Musik G. M.s (21986);
 Karl-Josef Müller: M. Leben, Werke, Dokumente (1988);
 W. Schreiber: G. M. (67.-70. Tsd. 1989);
 H. u. K. Blaukopf: G. M. Leben u. Werk in Zeugnissen der Zeit (1994);
 V. Karbusicky: M. in Hamburg. Chronik einer Freundschaft (1996).

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Mäh|ler: Pl. von 1Mahl.

Universal-Lexikon. 2012.

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